mobile Navigation Icon

Lernwirksamer Unterricht wird ermöglicht durch motivierende Verstärkung

Verhaltensweisen von Schülerinnen und Schülern, die von Lehrkräften als störend empfunden werden, haben verschiedene Ursachen, die sowohl im privaten Umfeld, in der Vorgeschichte der Lernenden als auch in unterrichtlichen Vorgehensweisen liegen können. Eine Reaktion mit Ermahnungen und Ordnungsmaßnahmen ist meist nicht zielführend, da diese Interventionen die Ursachen nicht thematisieren.

Zusätzlich zu einer die Schülerinnen und Schüler in ihrer Persönlichkeit grundsätzlich annehmenden Haltung und der Bereitschaft, Ursachen für störendes Verhalten aufzuspüren sowie ggf. zu beheben, sind positive Verstärkung und verbale Ermutigungen ein geeignetes Mittel, mit dem Schülerinnen und Schüler lernen können, ihr Verhalten anzupassen.

Positive Verstärkung

Positive Verstärkung basiert auf der Theorie des instrumentellen Lernens (auch: Lernen am Erfolg). Man spricht von instrumentell, weil das Verhalten das Instrument oder Mittel ist, das eine entsprechende Konsequenz hervorruft. Einem Verhalten folgt dementsprechend ein positives Ereignis.

 

 

 

 

Alle Abbildungen © ISB

Tokensysteme können beispielsweise visuell dabei unterstützen, erwünschtes Verhalten positiv zu verstärken. Token können Smileys, Sterne, Perlen, Aufkleber usw. sein, die gesammelt und später gegen einen primären Verstärker eingetauscht werden. 

Individuelle Verstärkung

Individuelle Zielvereinbarungen zwischen Lehrkräften und Schülerinnen bzw. Schülern werden schriftlich festgehalten und leicht zugänglich aufbewahrt. Nachhaltig wirken diese vor allem dann, wenn sie gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern sowie den Eltern erstellt werden (vgl. hierzu: Regionale Schulberatungsstelle des Kreises Borken (Hrsg.): Verstärkerpläne wirkungsvoll einsetzen). Verstärker können somit auch vom Elternhaus zur Verfügung gestellt werden.

Verstärkung innerhalb der Klassengemeinschaft

Positive Verstärkung kann nicht nur individuell, sondern auch innerhalb der gesamten Klassengemeinschaft erfolgen. Schülerinnen und Schüler sind hierbei besonders gut über eines zu motivieren: frei verfügbare Zeit. Natürlich können Lehrkräfte diesen sozialen Verstärker nicht beliebig einsetzen, möglich sind beispielsweise 15 Minuten freie Lesezeit oder eine Spielestunde.

Verstärkung innerhalb der Schulgemeinschaft

Der FFF-Pokal für ein friedliches, freundliches und faires Schulklima stellt ein innovatives Beispiel für die Einbeziehung der ganzen Schulgemeinschaft dar. Weitere Materialien finden sich auf der Homepage der Schulberatungsstelle Borken.

Grenzen

Grundsätzlich sollte positive Verstärkung allerdings nur zeitlich begrenzt und nur bei Kindern und Jugendlichen eingesetzt werden, die „zur Unterstützung für ihre Arbeit an ihren individuellen Zielen ein stark von außen strukturiertes Verstärkersystem benötigen“ (Hehn-Oldiges und Ostermann (2020, 3)). In einem Interview bezeichnete der dänische Familientherapeut Jesper Juul Belohnung als „postmoderne Variante der Bestrafung“. Untersuchungen haben gezeigt, dass positive Verstärkung durch Belohnung ähnlich wie bei Ordnungsmaßnahmen zwar kurzfristige Wirksamkeit hervorrufen kann, langfristig aber kaum zur nachhaltigen Verhaltensänderung führt, da der Erhalt der Verstärker (extrinsische Motivation) und nicht die Einsicht bezüglich der Sinnhaftigkeit von Regeln (intrinsische Motivation) für die Lernenden im Fokus steht. 

Das Nichterreichen einer Belohnung kann auch als Sanktionierung empfunden werden, wenn z. B. die versprochene Spielestunde für die Klasse aufgrund des störenden Verhaltens weniger Schülerinnen und Schüler nicht stattfindet. Die Gefahr beim unreflektierten Einsatz von positiver Verstärkung und dem Ergreifen von Ordnungsmaßnahen im pädagogischen Handeln liegt darin, dass die Ermittlung der Ursachen für Unterrichtsstörungen in den Hintergrund tritt und damit notwendige Unterstützung für die Lernenden ausbleibt. Regelverletzendes Verhalten kann z. B. auch dadurch ausgelöst werden, dass eine Schülerin oder ein Schüler sich unter- oder überfordert fühlt. Aus diesem Grund sollten Verstärkungssysteme nur nach sehr sorgfältiger Abwägung eingesetzt werden.
 

Anerkennung, Wertschätzung und Ermutigung

Schülerinnen und Schüler zu ermutigen und nicht zu ermahnen, Anerkennung und Wertschätzung auch bei Lernenden mit herausforderndem Verhalten zu zeigen, ist die Basis professionellen Handelns. Die Veröffentlichung „Erziehung konkret, Heft 2“ des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung nennt präventive Handlungstechniken (2011, 3f.), die zur Ermutigung der Lernenden beitragen können:

Angemessenes Verhalten authentisch, konkret, altersgemäß und unter Berücksichtigung der individuellen Voraussetzungen hervorzuheben kann die Beziehung zwischen Lehrkraft und Lernenden stärken:

Ich finde es toll, dass du deine Arbeitsmaterialien bereitgelegt hast.    

Das Verhalten oder die Leistung von Schülerinnen oder Schülern bezüglich einer zu erbringenden Aufgabe beschreibend rückzumelden stärkt die Selbstwahrnehmung und Selbststeuerung der Lernenden:

Ich sehe, dass du deine Arbeitsmaterialien bereitgelegt hast. 

Das Zurückführen einer unkonzentrierten Schülerin bzw. eines unkonzentrierten Schülers zur Aufgabe oder die flexible Anpassung einer Aufgabe, so dass sie erfolgreich bewältigt werden kann, hilft dabei, Unterrichtsstörungen präventiv zu vermeiden.

Checkliste zum Download

Präventives Handeln der Lehrkraft ist eine wichtige Voraussetzung, um herausforderndem Verhalten von Lernenden professionell und erfolgreich begegnen zu können. Die folgende Liste gibt Anregungen zur Selbstreflexion.


Regionale Schulberatungsstelle des Kreises Borken (Hrsg.) Verstärkerpläne wirkungsvoll einsetzen. Online: https://rsb-borken.de/fileadmin/Ressourcen/Veroeffentlichungen/Verstaerkerplaene/VerstaerkerplaeneFinal.pdf

Hehn-Oldiges, Martina / Ostermann, Britta (2021): Ampeln und andere Ermahnungssysteme. Problematische Strategien zur Erziehung. In: Behindertenpädagogik, 60 (2021) 1, S. 79-100

ISB (Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München) (Hrsg.) (2011): ErziehungKonkret Nr. 02. Online: https://www.isb.bayern.de/fileadmin/user_upload/Foerderschulen/Erziehung_konkret/Heft_02/erziehungkonkret_2-finalnetz.pdf

https://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/instrumentelles-lernen/6127

https://isb-magazin.de/haltung-und-handlungssicherheit/fff-pokal

rsb-borken.de/fileadmin/Ressourcen/Veroeffentlichungen/Verstaerkerplaene/VerstaerkerplaeneFinal.pdf